Umgangsrecht in der Corona-Krise

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Umgangsrecht während Corona

Das Umgangsrecht ist häufig ein Zankapfel zwischen getrenntlebenden Eltern. Für alle zufriedenstellende Lösungen sind nur schwer bis kaum zu finden. Gerade im Hinblick auf die Herausforderungen der Corona Pandemie ergeben sich hierbei zusätzliche Spannungen und Fragestellungen. Verschärft wird dies durch die sich stetig wandelnden rechtlichen Regelungen zum Infektionsschutz. Daher ist lediglich eine Momentaufnahme im Sinne der aktuell geltenden Regelungen möglich. Im folgenden Artikel wollen wir einige dieser Fragen näher betrachten.

 

Sollten in der Corona-Krise bestehende Umgangsregelungen geändert werden?

Nein. Änderungen an bestehenden Umgangsregelungen zwischen getrenntlebenden Eltern aufgrund der Corona Pandemie sind nicht notwendig. Hierzu hatte die Bundesregierung bereits im März erklärt, dass bestehende Beschränkungen sozialer Kontakte das Umgangsrecht von getrenntlebenden Eltern nicht berühren. Die bestehenden Umgangsregelungen dienen dem Wohl der Kinder und sind für diese gerade in den aktuellen Wirrungen ein wichtiger Ankerpunkt. Zudem ist das Umgangsrecht ebenso ein Recht des Kindes. Dementsprechend stellt dieses Umgangsrecht für die Eltern nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht dar.

 

Hat die Kontaktbeschränkung Auswirkungen auf das Umgangsrecht?

Nein, die Empfehlungen, soziale Kontakte zu meiden, bezieht sich nicht auf die Kernfamilie. Hierzu gehören auch die getrenntlebenden Eltern. Dasselbe gilt auch für angeordnete Kontaktbeschränkungen. Das gemeinsame Kind gilt als zum Hausstand des jeweiligen Elternteils gehörend.

 

Kann ein gerichtlich geregeltes Umgangsrecht wegen der Corona Pandemie ausgesetzt werden?

Nein, ein generelles Aussetzen eines gerichtlich geregelten Umgangsrechts ist nicht möglich. Eine Ausnahme ist lediglich dann gegeben, wenn der betreffende Elternteil oder das Kind zwangsweise unter Quarantäne gestellt werden. In diesen Fällen sind allenfalls Telefonate oder Videochats möglich.

Eine freiwillige Quarantäne genügt hierzu jedoch nicht. Das Umgangsrecht stellt auch eine Pflicht der Eltern dar. Wer dem nicht nachkommt, begeht eine Pflichtverletzung.

Auch Bestrebungen einzelner Landesregierungen, den Umgang von Eltern, deren Kinder in Heimen oder sonstigen betreuten Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht sind, zu verweigern, wurden durch die Verwaltungsgerichte mit Verweis auf Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG unterbunden.

 

 

Umgangspflegschaft und Umgangsbegleitung in der Corona-Krise

Auswirkungen auf die Umgangspflegschaft bestehen im Regelfall nicht. Sollte eine Übergabe des Kindes durch die Person des Umgangspflegers nicht weiter möglich sein, bspw. da dieser zu einer Risikogruppe gehört, sind kurzfristige und flexible Lösungen möglich. So kann die Übergabe über Telekommunikationsmedien bzw. Videochat durchgeführt werden oder die Person des Übergabepflegers ausgetauscht werden.

Schwieriger gestaltet sich die Situation im Falle der Umgangsbegleitung. Vorweg, die Begrenzung auf lediglich zwei Haushalte läuft in diesen Fällen leer, da der betreffende Elternteil und das Kind als ein Haushalt gelten.

Diese Umgangsbegleitung wird meist durch das Jugendamt oder freie Träger der Jugendhilfe durchgeführt. Im März 2020 hatten teilweise diese Träger die Umgangsbegleitung für bis zu neun Wochen eingestellt.

Aus rechtlicher Sicht darf dies nicht dazu führen, dass das Umgangsrecht des betreffenden Elternteils dadurch ausgehebelt wird. Setzt die Person des Umgangsbegleiters die Leistung aus, da er zu einer Risikogruppe gehört, muss diese ausgetauscht oder eine andere flexible Lösung gefunden werden. Allerdings erweist sich ein Gegensteuern durch das Familiengericht regelmäßig als schwierig, da Änderungen bei der Umgangsbegleitung stets der Zustimmung des Umgangsbegleitenden bedürfen und auch gerichtliche Eilverfahren eine gewisse Zeit beanspruchen.

Umgangsrecht während der Corona Quarantäne

Sofern die Pflicht zur Quarantäne für einen Elternteil oder das Kind besteht, muss das Umgangsrecht insoweit zeitlich begrenzt auf die Dauer der Quarantäne ausgesetzt werden.

Der reine Verdacht einer Erkrankung dürfte hierzu nicht genügen. Auch kann nicht vorsorglich vor jedem Umgangstermin die Vorlage eines negativen Testergebnisses gefordert werden.

 

Maskenpflicht und Abstandsgebot beim Kindesumgang?

Grundsätzlich gelten während der Zeit des Kindesumgangs die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen wie Maskenpflicht oder Abstandhalten nicht. Die Zeit des Kindesumgang gilt wie das gewöhnliche Zusammenleben in einem einzigen Hausstand. Dies gilt nicht nur für den umgangsberechtigten Elternteil, sondern auch auf die in dessen Haushalt lebenden sonstigen Bezugspersonen wie den neuen Lebenspartner.

 

Gilt etwas anderes, wenn das Kind zur Risikogruppe gehört?

Nein, dieser Umstand kann die geltenden Regelungen für den Elternumgang nicht beeinflussen. Allerdings können in einem solchen Fall gerichtliche Auflagen für die Ausgestaltung des Umgangsrechts, wie bspw. das Tragen einer FFP-2-Maske oder Kontaktbeschränkungen gegenüber Dritten möglich sein. Dies allerdings unter dem Gesichtspunkt, dass diese Vorsichtsmaßnahmen von beiden Elternteilen gleichermaßen zu beachten sind.

 

Gelten Besonderheiten für Reisen, insbesondere in Risikogebiete?

Diese Problemstellung lässt sich nicht eindeutig beantworten. Zuletzt gab es auch obergerichtliche Entscheidungen hierzu. Auslandsreisen bedürfen demnach stets der Zustimmung des anderen Elternteils. Im Zweifel seien Reisen in Risikogebiete zu unterlassen. Allerdings gilt inzwischen nahezu die gesamte Bundesrepublik als Risikogebiet, daher erscheint zweifelhaft, ob für Reisen in Risikogebiete der Nachbarländer aktuell eine andere Regelung gilt, als für Reisen in inländische Risikogebiete.

Ist es möglich, den Umgang zu verweigern, wenn der Umgangsberechtigte ein sogenannter Corona-Leugner ist?

Das hängt vom konkreten Einzelfall ab. Die bloße Einstufung des Umgangsberechtigten als Corona-Leugner dürfte hierfür nicht ausreichen. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn dieser beharrlich gegen bestehende Schutzmaßnahmen wie eine geltende Masken- und Abstandspflicht verstößt und auch das Kind zu solchen Verstößen anleitet. Letztlich müssen hierfür gewichtige Gründe für die Gefährdung des Kindeswohls vorliegen.

Eine solche Verweigerung kann jedoch nicht einseitig durch einen Elternteil geschehen. Lediglich das Familiengericht ist berechtigt, das Umgangsrecht auszusetzen.

 

Verletzung bestehender Corona-Regelungen: Kann das Umgangsrecht durchgesetzt werden?

Ja, das Umgangsrecht kann im Rahmen eines Ordnungsgeldverfahrens durchgesetzt werden. Hierzu bestehen bereits einige – auch obergerichtliche – Entscheidungen. In diesen Fällen hatten Elternteile das Umgangsrecht unter Berufung auf die Ansteckungsgefahr mit Corona verweigert. Es wurden Ordnungsgelder bis zu 20.000 Euro verhängt.

Problematischer gestaltet sich dies jedoch im Fall der Umgangsbegleitung, wenn das Jugendamt diese Umgangsbegleitung verweigert. Auch dann, wenn diese Verweigerung offensichtlich rechtswidrig ist. Es ist fraglich, ob in solchen Fällen die Familiengerichte die Jugendämter zur Umgangsbegleitung verpflichten können. Die herrschende Meinung verneint dies, eine Klärung durch den BGH steht aus. Alternativ wäre eine Verpflichtung der Jugendämter durch die Verwaltungsgerichte im Wege einer einstweiligen Anordnung zu erwirken.

 

Persönliche Anhörungen vor dem Familiengericht in Corona-Zeiten

Dies gestaltet sich regional unterschiedlich. Während bereits im März einige Amtsgerichte ihren Gerichtsbetrieb nahezu vollständig heruntergefahren haben, bemühten sich andere um eine weitestgehende Aufrechterhaltung.

In diesen Fällen treten gleich mehrere Interessenkollisionen auf. So sind zum einen die Interessen der Kinder und der Eltern an einer schnellen und rechtssicheren Regelung zu betrachten. Zum anderen jedoch auch der Gesundheitsschutz der Gerichtsbediensteten sowie der Gesundheitsschutz der Betroffenen.

Gleichwohl kann von einer persönlichen Anhörung insbesondere der Elternteile und des Kindes nicht abgesehen werden. Für eine flächendeckende Durchführung der Anhörungen durch eine Videokonferenz fehlt die technische Ausstattung. Letztlich wird man nicht um eine Anhörung unter besonderen Schutz- und Abstandsvorkehrungen – bspw. durch Trennwände und Laufwege – herumkommen.

Auch erscheint es jedenfalls fraglich, ob es möglich ist, Angehörige einer Risikogruppe zum Persönlichen erscheinen vor Gericht zu zwingen.

 

Wenn Sie weitere Fragen zum Umgangsrecht oder anderen familienrechtlichen Fragestellung während der Corona-Krise haben, können Sie unsere Kanzlei Hummelmann, von Pierer und Kollegen jederzeit kontaktierten!

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Umgangsrecht während Corona Zuletzt aktualisiert: 19.11.2020 von Anwaltskanzlei Hummelmann, von Pierer & Kollegen