BVerfG-Urteil zur Vaterschaftsanfechtung: Bedeutung für leibliche Väter

BVerfG-Urteil zur Vaterschaftsanfechtung: Bedeutung für leibliche Väter

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09. April 2024 – 1 BvR 2017/21 hat für leibliche Väter zur Anfechtung einer rechtlichen Vaterschaft eines anderen Mannes eine enorme Bedeutung. Denn Ihre Rechte werden erheblich gestärkt. Der Gesetzgeber ist nun dazu verpflichtet die aktuelle Rechtslage grundlegend zu überarbeiten. Denn die entscheidenden Regelungen in § 1600 Abs. 2 und 3 wurden für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt.

 

Wie sah die bisherige Rechtslage aus?

Bisher war die Anfechtung einer rechtlichen Vaterschaft durch leibliche Väter nur unter sehr hohen Hürden möglich. Bestand zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater eine sozial-familiäre Bindung, war eine Vaterschaftsanfechtung aussichtslos. Der Schutz solcher sozial-familiären Bindung wurde stets höher gewichtet als die Rechte des leiblichen Vaters.

Dieser Umstand war auch an dem in der Entscheidung relevanten Sachverhalt deutlich geworden. Dort hatte der Mann in einer Beziehung ein außereheliches Kind gezeugt. Wenig später ging die Beziehung in die Brüche und die Mutter hatte einen neuen Partner. Dennoch hielt der leibliche Vater den Kontakt zu seinem Kind aufrecht. Nachdem der leibliche Vater einen Antrag auf Feststellung seiner Vaterschaft gestellt hatte, erkannte der neue Partner der Mutter die Vaterschaft des Kindes mit Zustimmung der Mutter an. Zudem unterhielt er mit dem Kind und der Mutter eine sozial-familiäre Beziehung.

Die angestrengten Klagen des leiblichen Vaters zur Anfechtung dieser Vaterschaftsanerkennung blieben durch alle Instanzen erfolglos. Der Grund hierfür war, dass die Beziehung zwischen dem leiblichen Vater und dem Kind sowie seine Bemühungen um die rechtliche Vaterschaft nicht berücksichtigt wurden. Denn wenn eine sozial-familiäre Bindung zwischen rechtlichen Vater und dem Kind besteht, war nach der bisher geltenden Rechtslage eine Vaterschaftsanfechtung durch den leiblichen Vater ausgeschlossen.

 

Anfechtung der Vaterschaft: Was ändert sich durch das Urteil?

Der Gesetzgeber ist jetzt dazu verpflichtet, die bestehende Rechtslage grundlegend zu überarbeiten, um den Vaterschaftsrechten leiblicher Väter nach Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz den diesen zukommenden Stellenwert einzuräumen.

Herzu kann er entweder die Möglichkeiten zur Anfechtung der Vaterschaft durch die leiblichen Väter stärken oder als Alternative die Möglichkeit einer Mehrelternschaft einführen. Dann wäre es möglich, dass Kinder nicht mehr nur zwei Elternteile haben, sondern drei.

 

Wie ist die Rechtslage bis zum Inkrafttreten der neuen Regelungen?

Ein solches Unterfangen geschieht nicht von heute auf morgen, sondern benötigt viel Zeit. Aus diesem Grund gilt nun bis längstens zum 30.06.2025 die aktuelle Gesetzeslage fort. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass die Grundstruktur der gesetzlichen Regelung, also das Aufrechterhalten des 2-Eltern-Prinzips, verfassungskonform ist. Bleibt diese Grundstruktur aufrechterhalten, muss nun allerdings dem leiblichen Vater grundsätzlich die Möglichkeit zur Erlangung rechtlichen Elternschaft eingeräumt werden. Denn diese ist die Voraussetzung für die Ausübung der Elternverantwortung.

Das heißt konkret, dass in dem Verfahren der Vaterschaftsanfechtung auch die vom leiblichen Vater zu dem Kind geführte Beziehung sowie seine Bemühungen zur Erlangung der rechtlichen Vaterschaft berücksichtigt werden müssen.

 

Welche Bedeutung hat das Urteil für leibliche Väter?

Die Bedeutung dieses Urteils für leibliche Väter, welche auch die rechtliche Vaterstellung erlangen wollen, kann kaum überschätzt werden. Ihre Rechtsstellung aufgrund der Abstammungsverbindung zu ihren Kindern wird erheblich gestärkt.

Es besteht nun die Möglichkeit, das Verfahren zur Erlangung der rechtlichen Vaterschaftsstellung entsprechend vorzubereiten. Zwar kann der Antrag auch schon jetzt gestellt werden. Allerdings müsste im Regelfall gleichzeitig beantragt werden, das Verfahren bis zum Inkrafttreten der gesetzgeberischen Neuregelung auszusetzen.

Es bleibt insoweit abzuwarten, für welche konkrete Ausgestaltung der Elternschaft sich der Gesetzgeber letztlich entscheiden wird.

Bei individuellen Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

BVerfG-Urteil zur Vaterschaftsanfechtung: Bedeutung für leibliche Väter Zuletzt aktualisiert: 16.04.2024 von Anwaltskanzlei Hummelmann, von Pierer & Kollegen