Überstunden - Beweispflicht liegt beim Arbeitnehmer

BAG: Arbeitnehmer haben Beweispflicht bei Überstunden

Anfang Mai hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine vielbeachtete Entscheidung zur Beweispflicht bei Überstunden gefällt. Den Richtern zufolge steht eindeutig fest, dass die Darlegungs- und Beweispflicht bei Überstunden den Arbeitnehmern obliegt, nicht dem Arbeitgeber. Daran ändert auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Zeiterfassung nichts. Das Urteil gilt als wegweisend.

Möchten Arbeitnehmer Überstunden geltend machen, müssen diese selbst darlegen, dass die ausgeübten Tätigkeiten den normalen Arbeitszeitrahmen überstiegen oder sie sich aufgrund Anweisungen ihres Arbeitgebers hierzu bereitgehalten haben. Darüber hinaus müssen die zusätzlichen Arbeitsstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder nachträglich gebilligt werden. Auch die unionsrechtlich begründete Pflicht zur Messung der täglichen Arbeitszeit kehrt diese Beweislast nicht um.

Konkreter Fall: Auslieferungsfahrer möchte Überstundenvergütung von über 5000 Euro

Im konkreten Fall, der erstinstanzlich vor dem Arbeitsgericht in Emden verhandelt wurde, wollte ein Auslieferungsfahrer, der für ein Einzelhandelsunternehmen tätig war, seine Überstunden zum Ende des Arbeitsverhältnisses geltend machen. In der Praxis hatte der Angestellte seine Arbeitszeit mittels technischer Zeitaufzeichnung erfasst, wobei die Pausenzeiten nicht aufgezeichnet wurden. Der Auslieferungsfahrer begründete, nur den Anfang und das Ende der täglichen Arbeitszeit dokumentiert zu haben, mit fehlender Zeit für Pausen. Auslieferungsverträge hätten nicht eingehalten werden können, deswegen habe der Angestellte durcharbeiten müssen. Der Arbeitgeber hatte dies zurückgewiesen. Am Ende stand ein positives Überstundenkonto von 348 Stunden und eine Vergütung von 5.222,67 Euro, die der Arbeitnehmer verlangte. Das Amtsgericht Emden gab der Klage statt.

LAG und BAG kassieren Urteil: Beweispflicht obliegt Arbeitnehmer

Die Emdener Richter begründeten ihre Entscheidung mit dem Urteil des EuGH aus Mai 2019, wonach alle Mitgliedsstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssten, ein einsehbares Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen. Dieses müsse objektiv und verlässlich sein. Das zuständige Arbeitsgericht leitete hieraus ab, dass sich die Beweislast verschiebe: Weg vom Arbeitnehmer hin zum Arbeitgeber. Das Landesarbeitsgericht änderte das gesprochene Urteil jedoch und wies die Klage ab. Auch eine Revision beim BAG brachte für den Kläger keinen Erfolg. Die Erfurter Richter führten aus, dass weiterhin von Arbeitnehmerseite dargelegt werden müsse, dass Überstunden notwendig und vom Arbeitgeber veranlasst und zugerechnet wurden. Daran ändere auch die Entscheidung des EuGH nichts. Diese werde grundsätzlich nicht auf die Vergütung der Arbeitnehmer angewendet. So habe die Pflicht zur Messung der täglichen Arbeitszeit keine Auswirkung auf die Beweispflicht bei der Überstundenvergütung.

Arbeitnehmer müssen glaubhaft Überstunden darlegen können

So entschied das BAG, dass das LAG richtigerweise festgestellt habe, dass der klagende Arbeitnehmer nicht ausreichend dargelegt hatte, seine Arbeitszeit ohne jede Pause erfüllen zu müssen. Eine bloße Behauptung ohne genauere Beschreibung reiche nicht aus, so die Erfurter Richter. So steht fest: In Zukunft werden die Arbeitnehmer weiterhin glaubhaft darlegen müssen, wenn sie Überstunden gemacht haben. Nur diese Stunden müssen vom Arbeitgeber bezahlt werden.

BAG: Arbeitnehmer haben Beweispflicht bei Überstunden Zuletzt aktualisiert: 13.06.2022 von Anwaltskanzlei Hummelmann, von Pierer & Kollegen